Wilhelm Weiße (1846-1916), Baumschulgärtner in Kamenz und Königlich-Sächsischer Hoflieferant, war ein bemerkenswerter Vertreter der sächsischen Gartenbaukultur, der bis heute in Kamenz lebendige Spuren hinterlassen hat. Geboren in Kamenz, begab er sich als junger Mann auf Lehr- und Wanderjahre, über die leider nichts bekannt ist, und kehrte 1863 in seine Heimatstadt zurück, wo er 1873 eine „Kunst- und Handelsgärtnerei“ gründete. Schon wenige Jahre später muss sein Unternehmen, zu dem bald eine Baumschule zählte, bereits einen guten Namen gehabt haben. Weiße bot diverse Blatt- und Blütenpflanzen, Stauden und Palmen an. Zu seinen Spezialitäten zählten Rosen und Koniferen, von besonderem Vorteil war seine Baumschule, die ihm einen zusätzlichen Ruf eintrug. In den 1880er Jahren machte die Firma damit Werbung, über die „grössten Coniferen-Kulturen Mitteldeutschlands“ zu verfügen. Weiße war ein leidenschaftlicher Gärtner, der hingebungsvoll Pflanzen sammelte und sich so auch in den Besitz von Raritäten setzte, die mitunter wiederum geeignet waren, sein Angebot zu erweitern. Er profitierte dabei von den für Botaniker rasant anwachsenden Möglichkeiten seines Jahrhunderts: Es kam jetzt zu einer geradezu explosionsartigen Vermehrung des Wissens über exotische Pflanzenarten und zu einer weit besseren Verfügbarkeit botanischer Kostbarkeiten. Neues Pflanzenmaterial gelangte nun vermehrt nach Europa und wurde hier in die Gartenkultur integriert. Angesichts der schier unübersehbaren Fülle an neuen Gewächsen war auch für die führenden Gärtnereien eine Spezialisierung notwendig. Weiße faszinierten insbesondere die Nadelgehölze. Vor allem der Zucht von silbergrauen Fichten und Tannen widmete er große Aufmerksamkeit, für die Beschaffung geeigneten Saatguts entsandte er extra Samensammler nach Nordamerika. 1887 konnte er erstmals zwei eigene Fichtensorten zum Verkauf anbieten, die er politisch ganz loyal auf „König Albert“ und „Fürst Bismarck“ getauft hatte (in der Pillnitzer Nadelgehölzsammlung und auf dem Kamenzer Hutberg sind Exemplare dieser Züchtungen bis heute erhalten). Weiße war mit seinen Züchtungen auch wirtschaftlich erfolgreich, weil in der zweiten Hälfte des 19. Jh. seltene Pflanzen, auch außergewöhnliche, kostbare Nadelgehölze, als besondere Zierden des heimischen Gartens oder Parks galten und daher stark nachgefragt wurden. 1896 hatte Weiße über 300 Arten und Sorten von Nadelgehölzen im Angebot und hielt allein 25.000 Blaufichten mit 3 m Höhe für den Verkauf vor. So waren in Kamenz damals die bedeutendsten und größten Koniferenanzuchten Deutschlands zu finden. Sein umtriebiges Wirken und sein breit gefächertes Angebot trugen Weiße 1896 die Ernennung zum Königlich-Sächsischen Hoflieferanten ein. Er war Mitglied der „Flora“, der Königlich-Sächsischen Gesellschaft für Botanik und Gartenbau, der bedeutendsten gartenbaulichen Vereinigung in Sachsen vor dem Zweiten Weltkrieg. Bald nach deren Gründung 1892 trat er auch der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft bei. Seine nicht zuletzt in diesen Vereinigungen geknüpften Kontakte zu anderen Züchtern, Pflanzenforschern und Baumschulbesitzern verschafften ihm auch Zugang zu der einen oder anderen weiteren botanischen Rarität. So verwundert es nicht, dass noch heute einige besondere Nadelgehölzarten in Kamenzer Parks gedeihen wie z. B. die Japanische Schirmtanne, von der sich mehrere Exemplare auf dem Hutberg befinden. Dendrologisch wertvoll, erinnern sie gleichzeitig auf sehr lebendige Weise an das Wirken von Wilhelm Weiße in seiner Heimatstadt. Ende des 19. Jh. war die Kamenzer Baumschule dank ihrer Artenvielfalt und Leistungsfähigkeit deutschlandweit, ja international bekannt. Weiße wurde mit einem Dutzend Medaillen und Ehrenpreisen ausgezeichnet, so mit Anerkennungen auf internationalen Gartenbauausstellungen in Berlin, Dresden und St. Petersburg. Sein Wirken trug wesentlich zu der heutigen reichen Vielfalt an Kamenzer Parks und Gärten mit ihren dendrologischen Besonderheiten bei. Er selbst bekannte einst: „Giebt es doch kaum ein dankbareres Gebiet, welches so nachhaltende Freude macht, als die Einführung und Anpflanzung seltener Coniferen und Laubgehölze, die neben ihrem Nutzwert durch dekorative Form und Farbe die ganze Landschaft verschönern und ihr ein exotisches Gepräge verleihen.“ In Kamenz ist sein Einsatz bis heute stadtbildprägend, und so nimmt die Stadt seinen 100. Todestag zum Anlass, mit mehreren Veranstaltungen an das Lebenswerk dieses verdienten Bürgers zu erinnern. (Die Ausführungen zu Wilhelm Weiße basieren auf Siegfried Sommer: Der Baumschulgärtner Wilhelm Weiße, Königlich-Sächsischer Hoflieferant zu Kamenz, und seine Zeit, in: Kamenz – Beiträge zu Geschichte und Kultur der Lessingstadt, Festschrift der Stadt Kamenz, hrsg. anlässlich des 775. Jahrestages ihrer urkundlichen Ersterwähnung, Kamenz 2000, S. 132-137.)

zum Artikel "Das Vermächtnis des Gärtners" im Stadtschönheiten-Magazin

 

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