OB Dantz zu Ladenöffnung und Homeoffice

Können Geschäfte, Gaststätten und Hotels insbesondere in (kleineren) Städten geöffnet werden? - Ja, wenn wir alle Fakten und auch Risiken abwägen.

Können Geschäfte, Gaststätten und Hotels insbesondere in (kleineren) Städten geöffnet werden?

Ja, wenn wir alle Fakten und auch Risiken abwägen.

 

Die erste Antwort ist – vom Grunde her – ja. Warum?

Eine ganze Reihe von Bürgerinnen und Bürgern, sprechen mich seit Tagen zu dieser Frage an und beziehen sich u. a. auf das Statement meines Amtskollegen aus Bautzen. Nur allgemeine Appelle bringen aber eher wenig, sondern es geht immer um die klaren Fakten und dann um die Schlussfolgerungen.

Um es vorweg zu nehmen: Was ich am meisten wahrnehme ist, dass sich Gewerbetreibende, Bürgerinnen und Bürger eher nicht ernst genommen sehen, und dass sich der Eindruck der Bevormundung breit macht. Menschliches Handeln ist im Regelfall immer mit Alternativen verbunden und eher eben ganz selten wirklich alternativlos. Wenn wir gemeinsam bereit sind zu akzeptieren, dass, wenn sich die Lage wieder ändert, dann auch wieder zugemacht werden kann bzw. muss, dann ist eine Öffnung von Läden durchaus unter Hygieneauflagen, insbesondere zunächst bei Beibehaltung des Mund-Nasen-Schutzes, vertretbar. Entscheidend sind immer die Fakten. Der Fokus auf die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz allein hilft keinem weiter. Sind es nicht mehrere Faktoren, die eine Rolle spielen? Schauen wir uns die Belastung unserer Krankenhäuser an. So wurde unlängst vermeldet, dass z. B. unser Krankenhaus St. Johannes im Kamenz in den Normalbetrieb übergeht.

So waren zum 11.02.2021 von 73 Intensivbetten im Landkreis Bautzen lediglich 18 mit Corona-Patienten belegt. 18 Betten waren zu diesem Zeitpunkt frei. Am 5.02.2021 – eine knappe Woche zuvor – waren 22 Intensivbetten mit Corona-Patienten belegt und 13 waren frei. So gab es zu diesem Zeitpunkt schon in Dresden 37 und in Görlitz 22 weitere freie Intensivbetten. Daraus ist sehr klar zu entnehmen, dass sich die Situation in den Krankenhäusern entspannt hat. Kurzum, meines Erachtens sind Reserven da.

Der zweite Gesichtspunkt ist, dass wir uns die Fragen stellen,

was hat sich nach der ersten Welle? Und

was hat sich nach der zweiten Welle verändert?

So wurde am 24.01.2021 durch die Bundesregierung gemeldet, dass durch das Bundesministerium für Gesundheit 200.000 Dosen eines Antikörper-Medikamentes für 400 Mio. € geordert wurden. Vermeldet wurde auch, dass dieses Medikament ab Ende Januar für den Einsatz in Universitätskliniken zur Verfügung steht. Fachleute vertreten die Ansicht, dass die Gabe dieser Medikation das Überleben im Falle einer schweren Corona-Erkrankung, insbesondere von Risikopatienten, in einem hohen Maße sichern kann. Ausgeführt wird in Fachzeitschriften, dass das Verabreichen einer Antikörper-Medikation in einer frühen Phase der Erkrankung erforderlich sei.

Was spricht noch dafür, dass sich die Situation verändert hat?

Seit Januar 2021 gibt es grundsätzlich für einen ersten Teil der Bevölkerung – hier sind es die über 80-Jährigen – ein Impfangebot. Es besteht auch die Möglichkeit, dass das Pflegepersonal und medizinisches Personal, welches einem hohen Risiko ausgesetzt ist, geimpft werden kann.

Schauen wir uns die Zahlen genauer an.

Mit Stand 13.02.2021 wurde in Sachsen bisher lediglich eine Impfquote von 44,5 je 1.000 Einwohnern erreicht. D. h., bisher wurden 123.971 Personen mit der ersten Dosis geimpft und 57.331 Personen erhielten die zweite Dosis. Übrigens den Spitzenwert hat gegenwärtig das Bundesland Rheinland-Pfalz mit 149.368 (erste Dosis) und 93.856 (zweite Dosis) Impfungen.

Wie sieht es deutschlandweit aus? Insgesamt wurden zum 13.02.2021 635.673 Personen mit der ersten Dosis geimpft. Dies entspricht nur 3,2 % der Bevölkerung. 331.573 Personen erhielten die zweite Dosis. Dies entspricht 1,6 % der Bevölkerung.

Der Blick über den Tellerrand lohnt sich.

Da es um die Frage von Perspektiven, um die Frage unserer Lebensqualität geht und es bei vielen Gewerbetreibenden, Händlern und Gastronomen eine Frage des Überlebens ist, lohnt sich ein Blick über die Grenzen.

Nur 47,7 von 1.000 Einwohnern sind bisher in Deutschland geimpft. In Israel sind es von 1.000 Einwohnern ca. 726, d. h. fast drei Viertel der Bevölkerung wurden geimpft. Und immerhin sind es in Großbritannien 223 von 1.000 Einwohnern, die schon einen Impfschutz erhalten haben. Übrigens der viel gescholtene Premier Boris Johnson hat offensichtlich einiges besser gemacht, als Frau von der Leyen bzw. die Bundesregierung.

Am Donnerstag, den 11.02.2021, vermeldete die Präsidentin der Europäischen Kommission, Frau von der Leyen, dass in Polen 94 % des medizinischen Personals und 80 % der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen geimpft wurden. In Dänemark sind es 93 %. In Deutschland sind nach Meldung des RKI vom 12.02.2021 fast 50 % der Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen vollständig, also mit Erst- und Zweitimpfung, geimpft.

Der dritte Punkt ist: Mit Stand des 14.02.2021 liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland bei 57,4 und in Sachsen bei 68,1. Im Landkreis Bautzen beträgt diese immer noch 83,6. Derzeit werden von rund 83 Mio. Einwohnerinnen und Einwohnern 3.427 intensivmedizinisch behandelt. Davon müssen 1.922 invasiv beatmet werden. Interessant ist die Rückschau. Zu Beginn der sogenannten zweiten Welle im November 2020, genau am 15.11.2020, lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 143. Zu diesem Zeitpunkt mussten 3.385 Personen intensivmedizinisch behandelt werden und davon wurden 1.923 invasiv beatmet. Zu dieser Zeit hatten meiner Erinnerung nach die meisten Geschäfte unter Hygieneauflagen geöffnet.

Eine Öffnung ist möglich! – Sind wir bereit, gemeinsam vertretbare Risiken zu tragen?

Eine Öffnung ist möglich, nicht nur für Friseure. Die angeordnete Schließung von Friseurgeschäften zum 14.12.2020 ließ sich ebenso wenig begründen, wie die beabsichtigte Öffnung zum 1.03.2021. Dafür sprechen mehrere Gründe. Zum einen waren es die ohnehin hohen Sicherheitsstandards, die sich die Inhaber selbst auferlegt hatten. Gab es nicht auch schon staatliche Auflagen?

Natürlich kann ich als Mann auch verstehen, wenn man Frauen über Monate die Möglichkeit nimmt, sich die Haare frisieren zu lassen, dass dies schon wirklich als Akt der „Körperverletzung“ angesehen werden kann. Oder haben Sie schlecht frisierte Politikerinnen und Politiker, Moderatorinnen und Moderatoren im Fernsehen wahrgenommen? Ich nicht.

Aber was viel mehr gegen die Maßnahmen im Dezember sprach, war die Ankündigung der Schließung, die ein Rennen, einen nahezu irrsinnigen Wettbewerb nach dem letzten Friseurtermin vor Weihnachten verursachte.

Was hat dies bitte mit Infektionsvermeidung zu tun?

Von daher geht es um eine Frage:

Sind wir als Gemeinschaft bereit, vertretbare (?) Risiken zu tragen? Dann kann man bewusst einer wellenartigen Bewegung von Virusinfektionen entgegensehen, die Bremse lockern und wenn es zwingend erforderlich ist, eben auch die notwendigen Maßnahmen ergreifen.

Es ist für viele unverständlich, dass es augenscheinlich bisher keinen Plan gibt!

Die Suche nach Gemeinsamkeit schließt Bevormundung und ein „von oben herab“ aus. Da es um grundlegende uns alle betreffende Fragen geht, sollten Oppositionspolitiker bewusst mit einbezogen werden.

Warum bezieht man die Vertreter der Opposition bzw. Fachleute mit gegenteiliger Meinung zur Lösung unserer Probleme nicht mit ein? Haben diese denn keine klugen Gedanken?

Aus all diesen Erwägungen schließe ich mich der Meinung meines Rostocker Amtskollegen, Claus Ruhe Madsen, durchaus an. Entscheidend ist, dass Schluss gemacht wird, dass Entscheidungen und die damit verbundenen Verordnungen von nur sehr wenigen auf der Ebene der Bundes- bzw. der Staatsregierungen herbeigeführt werden. Die Einschränkungen, die Konsequenzen sind so einschneidend, dass sie nicht allein durch die Kanzlerin und sechzehn Ministerpräsidenten entschieden werden sollten. Es muss Schluss sein damit, dass die Parlamente einschließlich des Deutschen Bundestages in dieser wichtigen Frage zum Debattierclub verkommen. Es ist die Aufgabe der Mitglieder des Deutschen Bundestages und der Mitglieder der Landesparlamente, ihren Wählerinnen und Wählern eine Stimme zu geben, und damit ist es ihre originäre Aufgabe, als Vertreterinnen und Vertretern des Volkes, in diesen wichtigen Fragen die Entscheidung zu treffen. Es geht hier um viel, es geht um Existenzen, es geht um Kinder und Alte, genauso wie um unsere wirtschaftliche Zukunft. Und schon aus dieser Sicht ist ein solcher Weg einer wirklichen demokratischen Entscheidungsfindung in einer – insbesondere von Bevormundung – freien Gesellschaft eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Am 15.02.2021 vermeldete die Sächsische Zeitung am Rande, dass die Sächsische Regierung Details zu einem Öffnungsplan beraten würde. An einer mehrstündigen Videokonferenz sollen neben den Kabinettsmitgliedern auch Experten teilgenommen haben und das Ergebnis ist, dass zukünftig „nicht nur einzelne Inzidenzwerte, sondern zusätzlich noch festzulegende dynamische Faktoren darüber entscheiden, ab wann es in Sachsen zu Lockerungen bzw. Verschärfungen (…)“ kommt. Hat nicht der Sächsische Landtag, haben nicht die Betroffenen ein Recht zur erfahren, was da gedacht wird? Und ist es nicht vielleicht auch ein Weg, frühzeitig jene die bereit sind, MITZUDENKEN, einzubeziehen?

 

Roland Dantz

Oberbürgermeister

PS: Wenn ich als Oberbürgermeister auf die Idee gekommen wäre, den Kamenzer Stadtrat in dieser Weise zu entmündigen und von der Teilhabe an Entscheidungsprozessen auszuschließen, ich müsste mich nicht über die Reaktion und die Stimmung, die dann entstehen würde, wundern.  Es gibt einfach Dinge, die macht man nicht. Dazu gehört auch, den Respekt vor der Legislative zu wahren.

Position des Oberbürgermeisters zum Artikel der SZ „So halten‘s die Behörden mit Homeoffice“

Position des Oberbürgermeisters

zum Artikel der SZ „So halten‘s die Behörden mit Homeoffice“

 

Im Vorfeld der Veröffentlichung des Berichts der Sächsischen Zeitung von Heike Garten und Tilo Berger am 15.02.2021 war die SZ mit folgenden Fragen an die Stadt Kamenz herangetreten:

  • Wie viele Mitarbeiter hat die Behörde?
  • Wie viele davon könnten theoretisch im Homeoffice arbeiten, das heißt, die technischen Voraussetzungen sind gegeben und das Aufgabenfeld ist auch von zu Hause aus zu bewältigen?
  • Wie viele Mitarbeiter sind tatsächlich im Homeoffice?
  • Falls es eine Diskrepanz zwischen theoretischer Möglichkeit zu Homeoffice und praktischer Wahrnehmung gibt – wie ist die zu erklären?
  • Ist geplant, weitere Mitarbeiter ins Homeoffice zu schicken bzw. dies für sie zu ermöglichen?

 

Da in dem o.g. Bericht der SZ nur in einer sehr kurzen Passage Bezug auf den Antwortbrief des Oberbürgermeisters Bezug genommen wird, erfolgt hier nachfolgend die Veröffentlichung im vollen Wortlaut.

 

Sehr geehrter Herr Berger,

bevor ich zu den Einzelheiten komme, möchte ich die Gelegenheit nutzen und aus meiner Sicht etwas Grundsätzliches zu den angerissenen Fragen ansprechen, im gewissen Sinne auch loswerden. U.a. beziehe ich mich auch auf die SZ vom 6./7.02.2021 zum Beitrag „Die große Debatte ums Homeoffice“.

Nun ist mir ja klar, dass sich Produktionsverhältnisse – um das etwas marxistisch angehaucht zu formulieren – ändern, ändern können, wollen oder müssen; wie auch immer. Wer vor mehr als 150 Jahren weiterhin aufs Pferd gesetzt hatte und nicht auf die Eisenbahn oder die Automobilität, der lag falsch und hatte verloren. Aber selbst diese Entwicklung ist in einem gewissen Sinne aus sich heraus entstanden, geformt durch Erfindergeist, durch Pioniere (das sind die, die voran gehen) und in den wenigsten Fällen durch staatliche Eingriffe. Und darin genau besteht der Unterschied zu dem, was heute den Leuten eingetrimmt und mit aus meiner Sicht fadenscheinigen Begründungen verordnet wird.

Die Möglichkeit der Heimarbeit in der heutigen Zeit ist keine Pandemie-Erfindung. Sie wissen das und wie uns bekannt ist, arbeitet die SZ als privates Unternehmen schon längst auch ohne Verordnung durch Herrn Bundesminister Heil mit diesem Instrument. Das ist offensichtlich die eigene Unternehmensentscheidung, die die Geschäftsleitung gemeinsam mit ihrer Chefredaktion getroffen hat. Das halte ich in dieser Angelegenheit auch für richtig und zumindest – soweit ich das überhaupt in dem Falle betrachten will – für nachvollziehbar.

Es gibt im privatwirtschaftlichen Bereich z.B. Außendienstmitarbeiter, freie Berater etc., die längst mit diesem Instrument arbeiten. Was ist dabei wesentlich? Wesentlich scheint mir zu sein, dass dies die jeweiligen Unternehmen selbst entscheiden. Sie tragen dann auch das Risiko zu scheitern und letztendlich damit vom Markt zu verschwinden. Dies wohnt auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewerbefreiheit inne.

Anders verhält es sich naturgemäß bei öffentlichen Verwaltungen auf kommunaler Ebene. Wenn also mit dem Gewähren von Möglichkeiten der Heimarbeit Ineffizienzen entstehen, dann trägt in unserm Fall zunächst erst einmal der jeweilige Bürgermeister oder Oberbürgermeister bzw. der Stadtrat die Verantwortung dafür.

Und es ist auch schon aus dieser Sicht heraus ein verständlicher Anspruch, dass man die in unserer Verfassung im Artikel 28 garantierte Selbstverwaltung nicht einfach durch Verordnung außer Kraft zu setzen hat, auch wenn einer solchen Handlung sehr willfährig und gehorsam durch den Präsidenten des Deutschen Städtetages Folge geleistet wird.

Keiner hindert Herrn Präsidenten Jung daran, die in der Verordnung angedachten Maßnahmen selbst freiwillig umzusetzen.

Wenn man sich die ganze Situation genauer anschaut, dass hier einerseits meines Erachtens Verfassungsgrundsätze – wie die der Gewerbefreiheit – und damit das Recht, Unternehmen zu führen, selbst zu organisieren in meinen Augen massiv beeinträchtigt werden und zugleich in einer derartigen Form die kommunale Selbstverwaltung angegriffen und ausgehöhlt wird. Dies halte ich schon – und nicht nur ich allein – für einen bemerkenswerten Vorgang.

Ich kann Herrn Dr. Hamann schon gut verstehen in dem er zur Frage „Braucht es da noch einen rechtlichen Anspruch auf Homeoffice“ folgendes ausführt: „Einen politisch verankerten Rechtsanspruch auf Homeoffice halte ich nicht für wirklich zielführend, weil diese Lösungen auf Unternehmensebene gefunden werden müssen. Viele Unternehmer wissen schon, was auf sie zukünftig zukommt, wenn sie gute Leute haben wollen. Und darauf reagieren sie auch. Mich stört das medial verbreitete Bild vom Unternehmer, der böse und unwillig ist und vom Arbeitnehmer als Opfer. Es ist Zeit, auch den Arbeitgebern und Unternehmen einmal Vertrauen entgegenzubringen.“

Und er antwortet da durchaus sehr moderat und konziliant, indem er meint: „Es ist Zeit, auch den Arbeitgebern und Unternehmen einmal Vertrauen entgegenzubringen.“ Da stellt sich beim Lesen für mich die Frage: Wo leben wir denn? Ist ein Gewerbebetrieb, ein Unternehmer vom Vertrauen der Regierung, des Staates in seinem Handeln abhängig? Kommt es darauf überhaupt an? Ich meine im Sinne von persönlicher Freiheit ganz klar:  Nein. Wer hier in unserem Land ein Unternehmen gründet und führt, das Risiko, auch ein Scheitern in der Hinsicht eingeht, der sollte frei sein von einer moralischen Verpflichtung, dass ihm dabei eine Regierung vertraut bzw. dass er ein solches Vertrauen überhaupt benötigt.

Das Einzige, was er muss ist, dass er sich im Rahmen der geltenden Gesetze bewegt. Alles andere ist fakultativ durchaus auch für unsere Gemeinschaft notwendig, wie die Bereitschaft zu einer Sozialpartnerschaft. Letztere kann man nicht verordnen.

Aus diesem Gedankengang entwickelt sich im Weiteren eben die Kritik, dass auch Städte und Gemeinden und die in ihnen lebenden Menschen nicht wie Kinder behandelt werden sollen. Das Selbstverwirklichungsrecht und damit das Recht, sich auf dieser Ebene nach eigener Zielvorstellung zu organisieren, hat aus gutem Grunde Verfassungsrang.

Insofern stellt sich nicht die Frage, ob im Einzelfall Homeoffice sinnvoll sein kann, sondern es ist hier die Frage, ob die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung überhaupt verfassungsrechtlich zulässig war und ist.

Nun zu Ihren Fragestellungen:

In der Stadtverwaltung Kamenz arbeiten etwa 210 Beschäftigte in den unterschiedlichsten Aufgabenbereichen: Kernverwaltung, Kulturbereich, Kindereinrichtungen/Horte und technische Dienste. Zunächst wäre zu sagen, dass wir in unserer relativ kleinen Kernverwaltung durch organisatorische Maßnahmen zur Kontaktreduktion schon längst Vorkehrungen getroffen haben.

Wir haben u.a. die Kernarbeitszeitregelung suspendiert und die Verwaltung mit wenigen Ausnahmen für den öffentlichen Besucherverkehr geschlossen. So sind auch die räumlichen Gegebenheiten derart, dass eine Vielzahl von Einzelarbeitsplätzen und in wenigen Fällen höchstens Doppelbelegung pro Raum vorgenommen wurden.

Sehr geehrter Herr Berger, weiterhin hatten wir schon am 29.04.2020 eine Regelung zur Gewährung von Heimarbeit in Kraft gesetzt, die DA5-2020 Mobiles Arbeiten Verwaltung. So hatten wir entschieden - und dies wird auch praktiziert - Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen mit besonderen Risiken (Vorbelastungen) auf Antrag hin einen Vorschlag zur Gewährung von Heimarbeit zu unterbreiten.  Eine Verordnung mit „Zwang“ hat es dazu nicht bedurft.

Wir haben nach Erlass der Sars-CoV-2-Verordnung knapp 70 Arbeitsplätze betrachtet. Dabei konnten wir aufgrund von betriebsbedingten Gründen nur sehr wenige Arbeitsplätze lokalisieren, in denen zumindest für einen Teil der Wochenarbeitszeit Heimarbeit angeboten werden kann.

Es ist aus der Analyse heraus davon auszugehen, dass das eher in weniger als 20 Fällen überhaupt eine Option ist.

Was oftmals auch nicht bedacht wird, und was sich dann in dem Begriff oder der Formulierung der zwingend betriebsbedingten Gründe auch zeigt, ist, dass natürlich das Organisieren der Arbeit, die Verpflichtung eine von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geforderte Arbeitsleistungen von zu Hause aus zu erbringen, auch einen erhöhten Anforderungsdruck gegenüber den Führungskräften, Sachgebietsleitern etc. erzeugt.

Es ist etwas völlig anderes, wenn durch normale Sinneswahrnehmungen die Alltagsfragen, die zur Bewältigung von Arbeitsaufgaben gelöst werden müssen, geklärt werden. Die persönliche Kommunikation ist da nicht zu ersetzen. Dies kann in großen Verwaltungen, in denen es stereotype, immer wieder gleichgeartete Arbeitsvorgänge gibt, natürlich anders aussehen. Für kleine oder für ganz kleine Verwaltungen kann es möglicherweise auch einen anderen Weg geben. Da ist die Anzahl der Mitarbeiter eher überschaubar.

Ich glaube auch nicht, dass diese Verordnung des Bundesministers Heil dem Image des öffentlichen Dienstes guttut. Was sollen denn bitte Krankenschwestern, Kassiererinnen in Lebensmittelmärkten, Hausmeisterdienste, etc. sagen. Für viele steht Heimarbeit völlig außerhalb jeglicher Möglichkeiten. Manche von denen leben von Kurzarbeitergeld, haben Angst vor der nächsten Rechnung bzw. großen Ausgaben. Ich selbst habe einen hohen Maßstab für die Arbeit im Dienste der Öffentlichkeit und viele Beschäftigte mit mir gemeinsam.

Ich glaube nicht, dass wir diese Bevormundung in dieser Hinsicht, die beinahe unerträglich ist, brauchen. Sie ist auch ganz einfach ausgedrückt aus dem Verlauf der Corona-Pandemie – oder besser gesagt Epidemie heraus – derzeit in keiner Weise zu begründen. Es ist doch geradezu grotesk, dass wir richtigerweise die Schulen endlich wieder öffnen, die Kitas für die Kinder bereitstellen und dass wir dann nach dem „Willen“ des Bundesministers Heil unsere Kernverwaltung reihenweise in die Heimarbeit schicken.

Vielleicht nur am Rande: Eine meiner Großmütter hatte schon Heimarbeit gemacht, da war ich ein Kind. In der Stube stand ein Riesenwebstuhl (ein Monster) und sie webte Bänder für den VEB Bandtex Pulsnitz.

Diese Art von Heimarbeit war vom Ergebnis her für den volkseigenen Betrieb sicher kein Problem. Nach jeder Arbeitswoche war die Anzahl der gewebten Bänder klar abzählbar und damit die Feststellung der Arbeitsleistung möglich. Probieren Sie das doch mal im Verhältnis zur geistigen Arbeit einer Behörde.

Ich „wünsche“ den Leitungskräften schon jetzt viel „Spaß“.

Mit den besten Grüßen aus der Lessingstadt

 

Roland Dantz

Oberbürgermeister der Lessingstadt Kamenz

18.02.2021

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