Einladung zur Gedenkstunde am 8. Mai 2023

Der 8. Mai 1945 brachte das Ende des Krieges, das Ende der Gewalt brachte er nicht

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

vor 78 Jahren, am 8. Mai 1945, wurde der 2. Weltkrieg beendet. Wir blicken Jahr für Jahr auf dieses Ereignis in der Mitte des 20. Jahrhunderts zurück. Jahrzehnte später, nachdem die Kriegsgeneration, die all dies erlebt hatte, nicht mehr da ist und ein sogenannter historischer Abstand vorhanden ist, ändern sich z.T. auch Blickwinkel und Perspektiven.

Für unsere Gegend sind die Ereignisse des Jahres 1945 unmittelbar mit dem Vorrücken der Roten Armee und der nachfolgenden über mehr als vier Jahrzehnte andauernden Zeit der Besatzung verbunden. Wahr ist aber auch, dass die Hauptlast für den Sieg der Alliierten die damalige Sowjetunion trug. Kamenz blieb weitestgehend unzerstört. Dies hat nicht nur mit Glück zu tun, sondern wir haben dies dem Einsatz mutiger Kamenzer Bürger zu verdanken. Im Haupteingang des Rathauses wird in prägnanter Form an die Geschehnisse vor 78 Jahren erinnert.

Die große Frage bleibt – nach dem Warum

Wenn wir heute 78 Jahre nach dem Ende des mörderischen 2. Weltkrieg nun die Frage stellen, wie konnte es dazu kommen, dann gibt es nicht nur eine Antwort. Wahr ist in diesem Zusammenhang, dass, genau genommen vor fast genau 100 Jahren, die Wurzeln für den Nationalsozialismus, für den Klassen- und Rassenhass im Jahr 1923 auch mit der völkerrechtswidrigen Besetzung des Ruhrgebietes durch französische Truppen gelegt wurden.

Wir können nur die Frage stellen, warum Dinge geschehen. Dass sie geschehen sind, wissen wir. Wir haben an diesem Tag, dem 8. Mai, auch eine Möglichkeit, zurückzuschauen und uns mit dem Leid der Opfer des Krieges, mit den Grausamkeiten, die sich Menschen angetan haben, auseinander zu setzen. Und wir können auch erkennen, wozu Menschen fähig sind, wenn sie von einer Verachtung auf andere, von Rassenhass und einer NS-Ideologie eingenommen sind.

Das Gedenken an das Kriegsende vor 78 Jahren eröffnet ebenso die Möglichkeit, sich die Frage zu stellen, wie würde ich mich fühlen, wenn ich nach einem Kriegsende aus meinem Land, von meinem Grundstück für immer vertrieben werde. Zu den Wahrheiten gehört auch die dann folgende Gewalt vermeintlicher Sieger.

Worüber können wir froh sein?

Die Antwort ist ganz einfach: Dass wir auf deutschem Boden seit 78 Jahren Frieden haben. Und wir können an diesem Tag auch dankbar sein, dass es in unserer Zeit immer wieder Menschen gibt, die, ungeachtet der ein oder anderen Diffamierung und unabhängig von einer scheinbar stärkeren Mehrheitsmeinung, für Frieden, Versöhnung und für ein menschliches Miteinander eintreten.

Aus diesen Überlegungen und Gründen lade ich Sie ein, auch bei unterschiedlichen Bewertungen und Ansichten, dass wir uns am Montag, den 8. Mai 2023 um 15:00 Uhr zunächst am sowjetischen Grab- und Ehrenmal am Fuße des Hutberges treffen. Lassen Sie uns danach gemeinsam über den St. Just-Friedhof zu den Gedenksteinen für gefallene Deutsche des 1. und 2. Weltkrieges gehen und an der Gedenkstätte für die ermordeten Häftlinge im Herrental den Rundgang beenden. In diesem Sinne soll an alle Opfer des Krieges, auch von Flucht und Vertreibung erinnert werden.

 

Roland Dantz

Oberbürgermeister der Lessingstadt Kamenz

01.05.2023

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