Der 27. Januar 2022 in Kamenz

Nach zwei Jahren fand wieder eine Gedenkveranstaltung an der Gedenkstätte im Herrental statt, bei der sich immerhin über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter auch Vertreter der Kamenzer Kirchen sowie der Initiative zur Bewahrung des Gedenkens an die Opfer faschistischer Gewaltherrschaft in Kamenz“ und des Förderverein „Gedenkstätte KZ-Außenlager Kamenz-Herrental“  zusammenfanden, um der Opfer des Nationalsozialismus – und gerade jener die in Kamenz umkamen oder ermordet wurden – zu gedenken.

Als erster Redner ergriff Oberbürgermeister Roland Dantz das Wort. Er freu sich, dass auch Schülerinnen und Schüler aus Kamenzer Schulen an diesem Tag den Weg in die Gedenkstätte gefunden hatten. In seinem Redebeitrag zog er den Bogen von der Hutbergbühne, dem ehemaligen Thingplatz, und dem dortigen ebenfalls nach 1933 entstandenen Ehrenmal. Letzteres kam durch einen Beschluss des Kamenzer Stadtrates – ohne die bereits verhafteten sozialdemokratischen und kommunistischen Stadträte – zustande und zeige unter welchem Vorzeichen der Bau des Ehrenmals stand und welche Folgen dieser damals eingeschlagene Weg am Ende zeitigte. Er machte dabei noch einmal darauf aufmerksam, dass, anknüpfend an die Worte eines Überlebenden des KZ im Herrental, die heutigen Generationen nicht eine Schuldfrage zu beantworten hätten, da Schuld nicht vererbbar sei. Vielmehr geht es darum geschichtliche Geschehnisse zu kennen, zu wissen, warum sie stattfanden, um daraus eine Erinnerungsverantwortung für das Heute zu entwickeln. Mit diesen Worten forderte er dann die Anwesenden auf, mit ihren Blumen, Gebinden und Kränzen ein Zeichen der Trauer zusetzen.

Im Folgendem sprach Pastor a.D. Wilfried Krause von der Kamenzer Adventgemeinde. Er nahm darauf Bezug, dass in Israel Menschen als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt werden, die unter großen persönlichen Gefahren jüdische Mitbürgerinnen und -bürger vor der Deportation geschützt haben. In dieser Liste sind 27.712 Namen aufgeführt, darunter die von 638 Deutschen. Anhand von acht konkreten Beispielen machte er deutlich, wie auch Deutsche, die eine Minderheit waren, anderen Menschen barmherzig und mutig geholfen haben. Daran anknüpfend appellierte er, auch heute unter ganz anderen Bedingungen, „bei antisemitischen Äußerungen Stellung zu beziehen.“ „Jeder von uns“, so Pastor a.D. Krause, „ist aufgerufen, diesem [antisemitischen - A.d.V] Geist mutig zu widerstehen.“

Auch Andreas Koch, Vorsitzender des Fördervereins „Gedenkstätte KZ-Außenlager Kamenz-Herrental“ nahm sich eines konkreten Beispiels an. Der 17-jährige Italiener Paola Carpi De‘ Resmini wurde am 31. Juli 1944 in Mailand verhaftet worden. Damit begann sein Leidensweg durch verschiedene Lager in Italien und Deutschland. Durch seine Sprachfähigkeiten konnte er sowohl zwischen den Menschen verschiedener Nationen, aber auch zwischen den deutschen Wachmannschaften und den Inhaftierten vermitteln. Er und andere wurden, so Andreas Koch, „in einigen Fällen zu Vorbildern für alle …, echte Helden, Schutzengel des Lagers.“

Umso tragischer sein junger Tod, denn er wurde am 25. Februar 1945, gerade einmal 18 Jahre alt, in Kamenz durch eine Phenolinjektion ermordet. Ihm zum Gedenken wird der italienische Antifaschist Manlio Magni das Buch „Blauer Rauch über dem Herrental. Zur Geschichte des Nebenlagers Kamenz des KZ Groß-Rosen“ des früheren Stadtarchivars Dr. Matthias Herrmann ins Italienische übersetzen. Abschließend verwies Vorsitzender Koch auf ein geplantes Vorhaben des Vereins, welches in Abstimmung mit der Stadtverwaltung sowie mit Hilfe von Fördermitteln realisiert werden soll. Dabei handelt es sich um vier Informationstafeln, die der vertiefenden Vermittlung des historischen Hintergrunds der Gedenkstätte dienen sollen.

Die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehova traten nicht mit einem eigenen Redebeitrag in der Gedenkveranstaltung auf, da sie derzeit größer Menschenansammlungen meidet. Sie übersandt aber anlässlich des Gedenktages einen schriftlichen Beitrag an die Stadtverwaltung. Darin geht es um das Schicksal ihrer Glaubensbrüder- und schwestern, die in einer Vielzahl während der NS-Zeit inhaftiert wurden und in KZ-Lagern umkamen. Der Glaube sei ihr Halt gewesen in diesen widrigen und menschenfeindlichen Umständen. Das Gedenkwort gipfelte in der Auffassung, dass es „sicher wertvoll [ist], wenn sich jeder von uns fragt, welchen Beitrag er persönlich leisten kann, damit Menschlichkeit, Würde und Respekt nie wieder so verloren gehen, wie es schon einmal der Fall war!“ Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

04.02.2022, aktualisiert am 08.02.2022

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